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Zündschnüre-Song

Als dritte Single erscheint heute der Zündschnüre-Song von Franz Josef Degenhardt.

Über ihn schreibt Martin Kaluza:

»Und als von tausend Jahren / nur elf vergangen waren / im letzten Jahr vom Krieg, // da lag die Welt in Scherben, / und Deutschland lag im Sterben / und schrie noch Heil und Sieg.« 1944, irgendwo im Ruhrgebiet, es ist kaum noch zu übersehen, dass Deutschland den Krieg verlieren wird. Zwischen abgestellten Zügen, Schrebergärten und Kaninchenställen leben Fänä und seine Freunde. Dreizehn, vierzehn Jahre sind sie alt, wachsen ohne Väter auf, denn die sind entweder im Krieg, gefallen oder im KZ ermordet worden. Sie selbst sind noch zu jung für die Flak. Immerhin müssen sie nicht zur Schule. Die ist zerbombt. Franz Josef Degenhardt kennt man vor allem als Liedermacher, sein Song Spiel nicht mit den Schmuddelkindern fehlt in keiner Folk-Liedersammlung. 1973 veröffentlicht Degenhardt, der zudem als linker Rechtsanwalt arbeitet, seinen ersten Roman, Zündschnüre. Jedes Kapitel ist einem anderen Kind gewidmet, das sich irgendwie durchschlagen und eine Haltung entwickeln muss. Fänä und seine Kumpanen (und eine Kumpanin) stehlen einen Eisenbahnwaggon mit 600 Litern Wein, transportieren Sprengstoff, überbringen Nachrichten, schmuggeln verfolgte Menschen aus der Stadt, brechen in einen Lagerraum der Wehrmacht ein und erbeuten dort kartonweise Kondome — nichts Essbares. »Ein Buch, das man mit der gleichen Spannung und dem gleichen Vergnügen liest wie Mark Twains Geschichten von Huck Finn und Tom Sawyer«, schrieb damals die ZEIT. Die Jugendlichen, die gar nichts anderes kennen als den Krieg, entwickeln eine Art solidarischer Resilienz. Und sie stehen für eine Hoffnung, dass diejenigen, die lange scheinbar vergeblich gekämpft haben, doch ihre Spuren hinterlassen. Den menschlichen Blick und die Hoffnung hat Degenhardt, der wie seine Protagonisten im Ruhrgebiet aufwuchs, in den Zündschnüre-Song fließen lassen: »Und wie sie kämpften, litten / und lachten, liebten, stritten / in Solidarität, // das wird man dann noch lesen, / wenn das, was sonst gewesen, / ein Mensch nicht mehr versteht.« 

Zündschnüre-Song
Musik und Text: Franz Josef Degenhardt