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Bürgerlied

Bevor am 19. Juni das Album Trotz alledem erscheint, kommt heute mit dem Bürgerlied unsere Single Nummer 5.

Martin Kaluza schreibt dazu:

Die Zeiten sind bewegt. Nach der Niederlage Napoleons und der Gründung des Deutschen Bundes auf dem Wiener Kongress ordnen sich die Kräfte in Europa erst langsam neu. Gleichzeitig nimmt die Industrialisierung Fahrt auf, große Teile der Arbeiterschaft leben in Armut, soziale Konflikte sind die Folge. In Preußen und anderswo gründen sich in dieser Zeit des Vormärz Bürgervereine, in denen man über die Dinge spricht, die alle angehen: Man diskutiert über Armut und Bildung, über das Gesellenwesen und man fordert ganz allgemein Mitsprache. Der Postsekretär Adalbert Harnisch schließt sich dem Bürgerverein im westpreußischen Elbing an. Er verfasst Gedichte und Lieder, die er später unter dem Namen Hans Albus veröffentlicht. Auf die Melodie von Prinz Eugen, der edle Ritter schreibt er ein Lied für den Bürgerverein in Elbing, das den Geist der Erneuerung atmet. In drei Schritten beschreibt er, worauf es in der jetzigen Situation ankommt. Zunächst einmal: Äußerlichkeiten und Standesunterschiede sind egal. »Ob wir rote, gelbe Kragen, / Hüte oder Helme tragen, / Stiefeln oder Schuh’. / Oder, ob wir Röcke nähen / Und zu Schuh’n die Fäden drehen: / Das tut nichts dazu.« 
Was zählt, ist, etwas Neues aufzubauen: »Aber, ob wir Neues bauen, / Oder’s Alte nur verdauen / Wie das Gras die Kuh. / Ob wir für die Welt was schaffen, / Oder nur die Welt begaffen: / Das tut was dazu.« Und schließlich, der dritte Schritt, ein Call to Action, wie man heute sagen würde, ein Aufruf, sich zu organisieren und tätig zu werden: »Drum ihr Bürger, drum ihr Brüder, / Alle eines Bundes Glieder, / Was auch jeder tu’. / Alle, die dies Lied gesungen / So die Alten wie die Jungen: / Tun wir denn dazu.« Harnisch trifft den Nerv der Zeit, das Lied verbreitet sich schnell. Es ist kaum veröffentlicht, da wird es schon in Pillau gesungen, von Anhängern des gerade verbotenen Königsberger Bürgervereins. Man singt es unter Oppositionellen in den Böttcherhöfen bei Königsberg, weshalb es eine Zeit lang auch als Königsberger Bürgerlied bekannt ist. Nach dem Scheitern der Revolution 1848/49 entdeckt die Arbeiterbewegung das Bürgerlied für sich. Die Botschaft ist so universell und motivierend, dass sie sich nahtlos auch in diesen Kampf einfügt. In der Zeit der Weltkriege in Vergessenheit geraten, entdeckt die westdeutsche Folk-Bewegung das Bürgerlied in den 1960er-Jahren wieder, Hannes Wader und die Band Zupfgeigenhansel nahmen es in ihr Repertoire auf. In der DDR spielen Gerd Kern und Jack Mitchell es mit einem neuen Text im Oktoberklub. 

Bürgerlied
Text: Adalbert Harnisch (1845) 
Musik: Geschrieben zur Melodie von Prinz Eugen, der edle Ritter