
Heute erscheint mit dem Badischen Wiegenlied die erste Single von unserem neuen Album „Trotz alledem“.
Martin Kaluza schreibt über den Song:
»Schlaf, mein Kind, schlaf leis, / dort draußen geht der Preuß! / Deinen Vater hat er umgebracht, / deine Mutter hat er arm gemacht, / und wer nicht schläft in guter Ruh, / dem drückt der Preuß die Augen zu. / Schlaf, mein Kind, schlaf leis, / dort draußen geht der Preuß!« Welches Kind soll bei solchen Gedanken bitte schlafen? Immer wieder wurde der Text des Ba- dischen Wiegenliedes zur Melodie von Schlaf, Kindlein, schlaf gesungen, so wie auch das heute noch viel bekanntere »Maikäfer, flieg! / Der Vater ist im Krieg. / Die Mutter ist in Pommerland, / Pommerland ist abgebrannt.« Während beim Maikäferlied nicht abschließend geklärt ist, wann genau es entstand — ob eher im Dreißigjährigen Krieg oder vielleicht im Siebenjährigen — lässt sich das Badische Wiegenlied sicher zuordnen. Es ist ein Abgesang auf die gescheiterte Revolution von 1848/49. In Baden hatten, wie in vielen Regionen Deutschlands, die Bürger begonnen, sich gegen Adel und Fürstenherrschaft aufzulehnen. Eine badische Republik sollte entstehen, mit dem Volk als Souverän. Eine Strophe des Liedes erwähnt auch die Festung Rastatt, wo der badische Teil der Festungsgarnison gemeutert und sich der Bürgerwehr angeschlossen hatte. Die reaktionären Nachbarstaaten schlugen den Aufstand nieder, unter der Führung Preußens: »Der Preuß hat eine blutige Hand, / die streckt er übers badische Land.« Neben der Schlaflied-Melodie von 1605 ist für das Badische Wiegenlied auch eine eigene Melodie überliefert, die allerdings eine Zeit lang in Vergessenheit geraten war. In den 1960er-Jahren entdeckt die Folk-Bewegung den Text für sich. Die Metapher des Schlafens passt in die Zeit, diesmal gemünzt auf politischen Stillstand in der Adenauerzeit — die 1968er-Studentenrevolte braut sich bereits zusammen. Das Duo Ulli und Fredrik schreibt eine neue Melodie, ebenso wie Dieter Süverkrüp oder Matthias Kießling von der Band Wacholder. In der historischen Vertonung wechselt das Badische Wiegenlied für die letzte Strophe vom düsteren G-Moll aufs optimistische G-Dur. Ein Stimmungswechsel, denn das Lied wagt einen optimistischen Blick in die Zukunft! Der Preuße geht nun nicht mehr in Baden umher, sondern er liegt — und zwar da, wo er den Vater schon hingebracht hat: unter der Erde. »Schlaf, mein Kind, schlaf leis, / dort draußen geht der Preuß! / Gott aber weiß, wie lang er geht, / bis dass die Freiheit aufersteht, / und wo dein Vater liegt, mein Schatz, / da hat noch mancher Preuße Platz!« Die allerletzte Zeile schließlich hat nun auch gar nichts mehr mit Einschlafen zu tun — sondern mit einem neuen Erwachen: »Schrei’s, mein Kindlein, schrei’s: / dort draußen liegt der Preuß!«
Badisches Wiegenlied
Text: Ludwig Pfau (1849)
Musik: Unbekannt